Die Dozenten
Aude Heurtematte ist Professorin am Straßburger Konservatorium und bekannt für Ihre tiefgehenden Kenntnisse in historischer Aufführungspraxis. Als Titularorganistin von Saint-Gervais vermittelte sie an der Clicquot-Orgel mit viel Feingefühl barocke Spieltechniken und deren Auswirkung auf einen lebendigen Klang. So war spürbar nahe, wie wohl einst François Couperin dort spielte. Das Instrument ist glücklicherweise weitgehend unverändert und gilt – weit über Paris hinaus – als eine der bedeutendsten französischen Barockorgeln.
Christophe Mantoux widmete sich der Orgel in Saint-Maurice-de-Bécon (Courbevoie). Im Vergleich zu anderen Cavaillé-Coll-Instrumenten besticht die Orgel eher durch Intimität und klare Klangstrukturen, behält aber dennoch die charakteristische Klangfülle und die symphonische Klangsprache des Meisters bei. Viele Teilnehmende nutzten die Gelegenheit, César Francks Werke – besonders den Choral N° 3 – hier zu erarbeiten. Mantoux brachte seine besonderen Fähigkeiten in Kontrapunkt und Harmonielehre ein, um romantische Interpretationen facettenreich auszuarbeiten.
Samuel Liégeon ist als Maler ein wahrer Meister im Umgang mit Farben. Doch nicht nur mit dem Pinsel, sondern auch an den Tasten erweckt er seine Palette kunstvoll zum Leben: Als Organist beeindruckt er durch seine herausragende Fähigkeit zur Improvisation, wobei er die Farbpalette der Orgel in St. Pierre de Chaillot perfekt für sich nutzt. Das 1994 durch Daniel Birouste erbaute Instrument ist durch seinen besonderen Farbenreichtum wie geschaffen für die Einführung in die Kunst der Improvisation; Septim- und Nonregister eröffnen experimentelle Klangräume atonaler Musik.
Baptiste-Florian Marle-Ouvrard bewegt sich als Pilot nicht nur beruflich auf hohem Niveau: er wurde mit zahlreichen Preisen bei Orgelwettbewerben ausgezeichnet. Auch die ihm anvertraute Orgel in Saint-Eustache ist ein Überflieger: Hinter dem barocken Prospekt von François Duquesnoy verbirgt sich mit 101 Registern auf fünf Manualen eine der größten und vielseitigsten Orgeln Frankreichs. Der Co-Titularorganist konnte auf individuelle Wünsche eingehen und die enorme Klangfülle des Instruments zur Geltung bringen.
Sophie-Véronique Chauchefer-Choplin — Ein Highlight dieser Woche und für manch einen ein Lebenstraum: am Spieltisch der Orgel von Saint-Sulpice in die Tasten greifen und mit der Expertise der Titularorganistin die symphonische Qualität einer der schönsten Orgeln der Welt zu erleben. Ein monumentales, von Jean-François Chalgrin gestaltetes Gehäuse beherbergt ein ursprünglich von Clicquot erbautes Instrument, das mit Aristide Cavaillé-Coll seine technische und klangliche Vollendung erfahren hat. Die Dozentin hob nicht nur die musikalischen, sondern auch die technischen Besonderheiten des Instruments hervor, dazu zählen die auf allen Werken installierten Barkerhebel.
Abendprogramm
Am Sonntag Abend der Vorwoche, mitten im Herzen von Paris – in einem gemütlichen Restaurant in der Nähe von Notre-Dame – begrüßte Michel Grüber Dozenten und Teilnehmer. Durch Gespräche in lockerer Runde lernte man einander kennen. Die Organisatoren und Dozenten gaben Tipps und beantworteten Fragen zum Ablauf der Woche.
Montag: Die Kirche Saint-Séverin ist die älteste Kirche auf dem linken Seine-Ufer in Paris und war ursprünglich Teil eines Klosters. Sie wurde im 15. Jahrhundert im gotischen Stil erbaut und ist berühmt für ihre kunstvollen Glasfenster aus dem Mittelalter und dem 20. Jahrhundert. Die Orgel der wurde 1963 von Alfred Kern erbaut und gilt als erste Orgel in Frankreich, die historisierend restauriert und dabei die ursprüngliche Disposition von 1748 wiederhergestellt und die Klangästhetik des 18. Jahrhunderts rekonstruiert wurde. Diese Restaurierung setzte Maßstäbe für die historisch informierte Aufführungspraxis und machte die Orgel zu einem bedeutenden Beispiel für die Wiederbelebung barocker Klangideale in der französischen Orgellandschaft. Der Titularorganist Christophe Mantoux führte uns in die Klangwelt dieses einzigartigen Instrumentes ein.
Am Dienstag präsentierte Sophie-Véronique Cauchefer-Choplin in der Kathedrale NotreDame de Paris ein Orgelkonzert, das die Passion Jesu eindrucksvoll in Szene setzt. Der Text „Ecce homo“ schildert die 14 Kreuzwegstationen. Die Improvisationen von SophieVéronique Cauchefer-Choplin erwecken die Passion Christi in unserer Vorstellungskraft und kommentieren oder erweitern die Worte von Jean-Pierre Nortel, die Pauline Choplin gekonnt deklamiert.
Mittwoch: Der Organist Renaud Vergnet präsentierte uns in der Kirche Saint-Pierre-duGros-Caillou die zwei Orgeln von Danion-Gonzalez, eine Hauptorgel mit 47 Registern und eine Chororgel mit 25 Registern. Beide Orgeln sind bedeutende neoklassizistische Instrumente.
Der Donnerstag Abend im Temple Saint-Esprit hatte den Charakter eines Kamingesprächs: Dr. Kurt Lueders, Vorstandsmitglied der Cavaillé-Coll-Gesellschaft teilte mit den Teilnehmern bei Häppchen und Getränken sein Wissen über die Pariser Orgelbautradition. Die dortige Orgel geht auf ein Instrument von Merklin & Schütze zurück, das Charles Mutin, der Nachfolger der renommierten Orgelbaufirma CavailléColl, erweitert hat. Mühelos sorgt die zweimanualige Orgel mit nur 14 Registern für einen raumfüllenden Klang ohne auf sanfte Klangfarben und die Ausdrucksmöglichkeiten eines Schwellwerks zu verzichten. Eine Kostbarkeit ist das Mustel Kunstharmonium, das neben dem Altarraum positioniert ist. Sein Besitzer, Dr. Kurt Lueders, überraschte mit den expressiven Möglichkeiten des Instruments.
Mit Übergabe der Zertifikate und einem gemeinsames Abendessen am Freitag Abend fand die Woche einen runden Abschluss. Es war wunderschön zu beobachten und zu erleben, wie im Laufe der Woche neue Freundschaften entstanden sind und gegenseitig Einladungen ausgesprochen wurden.
Richard Beck, Schwieberdingen